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Nachhaltiger Tourismus und Pandemie: Erkenntnisse aus der Forschung

Die Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus in Südtirol stellt zweiten Jahresbericht sowie zwei Umfragen vor

Die Covid-19-Pandemie hat eindrucksvoll gezeigt, dass zuverlässige und aktuelle Daten unabdingbar sind, um eine solche Krise effizient zu meistern. Angesichts des Erdbebens, das die Tourismuswirtschaft derzeit erschüttert, haben Wissenschaftler von Eurac Research zwei separate Umfragen unter Gastwirten und Touristen durchgeführt. Zwischen August und Anfang Oktober erhob das Forscherteam, welche Strategien die Branche in der Krise verfolgte. Die gewonnenen Daten und Informationen wurden nun zusammen mit dem zweiten Jahresbericht der Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus in Südtirol bei einem virtuellen Treffen vorgestellt und diskutiert.

Das Hotel- und Gastgewerbe Südtirols hat – zusätzlich zu den bereits gesetzlich vorgeschriebenen Bestimmungen – proaktiv reagiert, um sich der schwierigen Situation anzupassen: Anstatt der üblichen Werbekampagnen haben viele Hoteliers und Gastwirte, insbesondere in den höheren Kategorien, auf die Loyalität ihrer Gäste gesetzt und Stammgäste gezielt kontaktiert. Diese Strategie scheint sich gelohnt zu haben. Trotz des starken Rückgangs der absoluten Zahlen konnte in Hotels mit mehr Sternen sogar ein leichter Anstieg (+5 Prozent) verzeichnet werden, was die Anzahl an Stammgästen anbelangt. Beinahe 70 Prozent der befragten HGV-Mitglieder haben ihre Stornierungsbedingungen geändert, um ihren Gästen entgegenzukommen – dies wahrscheinlich auch aufgrund der geänderten Stornierungsrichtlinien der großen Buchungsportale.

Dies sind nur einige Ergebnisse der beiden Befragungen, welche das Forscherteam von Eurac Research unter etwa 600 Südtiroler Hoteliers und Gastwirten und fast 900 Gästen, die in der Endphase der Sommersaison in Südtirol im Urlaub waren, noch vor der zweiten Pandemiewelle durchgeführt hat. „Die erhobenen Daten bestätigen einerseits, dass Outdoor-Aktivitäten von Touristinnen und Touristen vermehrt angenommen wurden, wohingegen Veranstaltungen, seien es sportliche als auch religiöse und kulturelle, kaum Zuspruch fanden“, kommentiert Andreas Dibiasi, Ökonom am Center for Advanced Studies. „Auf der anderen Seite gibt es einige interessante Punkte, die wir im Auge behalten sollten, wenn wir über mögliche Zukunftsperspektiven nachdenken, zum Beispiel die zentrale Bedeutung von Vertrauen und zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Hoteliers und Gastwirten und ihren Gästen.“ Unabhängig von einer zwangsläufig größeren Distanz zwischen Gästen und Personal, gaben rund 80 Prozent der befragten Gäste an, dass sich die Beziehung zu den Gastwirtinnen und Gastwirten nicht verändert habe. Einige Teilnehmer bekräftigten, dass sich diese sogar verstärkt habe. Etwa 50 Prozent gaben außerdem an, aufgrund der Covid-19-Krise mehr Wert auf Freundlichkeit und Herzlichkeit vonseiten der Gastgeber zu legen.

Zusammen mit den Ergebnissen der Stichprobenerhebungen präsentierte die Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus in Südtirol außerdem den zweiten Jahresbericht zum nachhaltigen Tourismus in Südtirol mit den Daten aus dem Jahr 2019. Die Publikation enthält zahlreiche Indikatoren in 13 Themenbereichen, um die Nachhaltigkeit des Tourismus messbar zu machen. Unter anderem wurden Daten zum Wasserverbrauch, zum Abfallaufkommen oder zur Mobilität erhoben. „Im Vergleich zum ersten Bericht wurden die Indikatoren nun an die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs) gekoppelt, und es wurde ein neuer Untersuchungsbereich eingeführt, nämlich die kulturelle Nachhaltigkeit, mit besonderem Bezug auf das immaterielle Erbe“, erklärt Anna Scuttari, Projektleiterin der Beobachtungsstelle. „Zu messen, wie sehr Rituale und Traditionen durch die Anwesenheit von Touristen beeinflusst werden, ist keine einfache Aufgabe, aber es gibt in dem Bereich Veränderungen, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen, wenn man über Nachhaltigkeit spricht.“ In diesem Zusammenhang ist nun eine Studie im Gange, die untersucht, welche Elemente der Authentizität bei Veranstaltungen rund um die Transhumanz, also die Rückkehr der Tiere von den Weiden am Ende des Sommers, erhalten geblieben sind und was sich hingegen im Laufe der Zeit verändert hat, um den Erwartungen der Gäste gerecht zu werden.

„Auch und gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, die Sammlung grundlegender Daten zur Nachhaltigkeit in der Tourismusbranche fortzusetzen. Dies gilt vor allem auch für den Themenbereich öffentliche Gesundheit. In intensivem Austausch mit der Welttourismusorganisation wird derzeit versucht, die Rolle der öffentlichen Gesundheit für die nachhaltige Entwicklung touristischer Destinationen zu untersuchen. In Zukunft wird es darauf ankommen, die Auswirkungen der aktuellen Geschehnisse präzise und mit emotionaler Distanz einzuschätzen. Entscheidungsträger sind auf solche verlässlichen Daten aus der Forschung angewiesen“, betont Harald Pechlaner, Leiter des Center for Advanced Studies von Eurac Research. Beispiel für ein zukünftiges Forschungsfeld für die Wissenschaft sei außerdem die Messung des Zusammenhangs von Flächennutzung, Biodiversität und Tourismus.

Der Jahresbericht zum nachhaltigen Tourismus in Südtirol ist eine Initiative im Rahmen des Netzwerks der Beobachtungsstellen für nachhaltigen Tourismus (INSTO) der Welttourismusorganisation (UNWTO), dem auch die Beobachtungsstelle von Eurac Research in Kooperation mit der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol und dem Wirtschaftsdienstleister IDM Südtirol angehört.

Der zweite Jahresbericht der Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus in Südtirol ist in englischer Sprache verfügbar:

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